Skip to main content

Bernar Venet

Zahlentheorie, Ästhetik und Kunst

Bernar Venets geometrische Meisterwerke

Der international renommierte Künstler Bernar Venet zieht in seiner Kunst die feinen Linien zwischen Klarheit und Komplexität, mathematischer Präzision und künstlerischem Ausdruck. Er ist bekannt für seine beeindruckenden, großformatigen Skulpturen, in denen sich die Sprachen der Geometrie und der Kunst ergänzen.

Der französische Künstler Bernar Venet gilt schon lange als eine der herausragendsten Positionen in der internationalen zeitgenössischen Kunst. Seine imposanten Plastiken vermitteln ein Gefühl von Harmonie und Eleganz, das seine Kraft aus den ordnenden Prinzipien der Mathematik bezieht und die inhärente Schönheit mathematischer Strukturen offenbart. Neben diesen bekannten, monumentalen Skulpturen gehören Zeichnungen, Tafelbilder, Performances, Ballettkompositionen, Tonaufnahmen, Filme und auch kunsttheoretischen Schriften zu seinem vielschichtigen Repertoire. Dabei fußt seine künstlerische Arbeit immer in theoretischen Überlegungen.

Geboren wird Venet 1941 in Südfrankreich. Schon früh entwickelt er ein profundes Interesse an der bildenden Kunst. Mit nur 17 Jahren zieht er nach Nizza, um als Bühnenbildner an der Opéra de Nice zu arbeiten. Bereits Anfang der 1960er Jahre hinterfragt er die bestehenden ästhetischen Begriffe und steht im regen Austausch mit avantgardistischen Künstlern wie den Nouveaux Réalistes um Pierre Restany und Yves Klein oder den Künstlern der Düsseldorfer Gruppe ZERO. Er konzipiert zunächst monochrome Teerbilder, Detailfotografien von Kies- und Kohlehaufen sowie Pappreliefs.

Portrait of the artist © Laura Stevens

Bernar Venet und Wolfram Kons im Gespräch für ntv inside art © gut.tut.gut. GmbH

Außerdem experimentiert er schon früh mit Ton- und Videoaufnahmen. Venet zieht 1966 nach New York, wo er sich mit Malerei, Poesie, Film und Performance beschäftigt. Dort hat er Kontakt zu Arman, Jean Tinguely, Frank Stella und Niki de Saint Phalle. Auch seine Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Minimalismus von Dan Flavin und Donald Judd wird seine künstlerische Tätigkeit tiefgründig beeinflussen. Von 1971 bis 1976 zieht sich Venet aus der aktiven Kunst zurück, um physikalische und mathematische Fragen zu reflektieren. Zudem unterrichtet er Kunst und Kunsttheorie an der Universität Paris-Sorbonne. Das Jahr 1979 markiert einen Wendepunkt in Venets Karriere, als er in einer Serie von Holzreliefs geometrische Formen ins Zentrum rückt.
Der zentrale Aspekt in Venets Werk ist seine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Mathematik. Er nutzt mathematische Grundlagen, insbesondere im Bereich der Geometrie und des Zusammenspiels von Formen, um Werke von gleichzeitig erstaunlicher Einfachheit und Raffinesse zu schaffen. Mit seiner Faszination für Zahlen und ihre Beziehung zur Welt lotet er die Grenzen zwischen Kunst, Wissenschaft und mathematischer Logik aus. Dabei nimmt er zunächst eine der einfachsten geometrischen Formen als Ausgangspunkt: Die gerade Linie, die er biegt und bricht und sie von seinen „mathematischen Zwängen“ befreit. Die Linie ist dabei aber nicht lediglich eine graphische Darstellung, sondern der tatsächliche Gegenstand seiner Werke. Venet transferiert diese Formen auch aus der Zweidimensionalität der Bilder in die dritte Dimension skulpturaler Arbeiten. Mathematisch-geometrische Berechnungen übersetzt er in monumentale Geraden aus Stahl, ineinander verschobene Bögen oder unregelmäßige Spiralen. Diese gewaltigen Skulpturen verhelfen Bernar Venet zu seinem endgültigen Durchbruch.

Schon mit seinen frühen, eher konzeptuellen Werken nimmt er 1968 an der Avantgarde-Messe „Prospect 68“ in Düsseldorf teil. Zur gleichen Zeit inkludieren erste große Institutionen wie das New Yorker Museum of Modern Art seine Arbeiten in ihre Sammlungen. Es folgen erste Museumsausstellungen in Deutschland und den USA. Er ist Teilnehmer an den Biennalen in São Paulo und Venedig, auch auf der documenta 6 werden Arbeiten von ihm präsentiert. Aber es sind seine bestechenden Skulpturen für den Außenraum, die weltweit für Aufsehen sorgen und den öffentlichen Raum vieler Städte bereichern. Bernar Venet gilt bald als einer der bedeutendsten französischen Gegenwartskünstler. Über ihn sind im Laufe der Jahre mehr als 200 Monografien in unterschiedlichen Sprachen erschienen. Seine Werke werden von renommierten Institutionen in aller Welt gesammelt, darunter das Centre Pompidou (Paris), das Guggenheim (New York), das LACMA (Los Angeles) und das National Museum of Modern Art (Seoul). 2005 wird er zum „Chevalier de la Légion d’honneur“ ernannt und 2006 mit der Deckengestaltung des „Cour des Comptes“ in Paris betraut.
Venets Werk zeichnet sich durch einen strengen Umgang mit konzeptuellen Grundlagen aus. Seine andauernde Auseinandersetzung mit mathematischen Gleichungen, Winkeln und arithmetischen Systemen ist dabei aber nicht nur die Basis für visuelle Darstellungen, sondern der integrale Bestandteil seiner Kunst. Die Präzision mathematischer Funktionen wird in seinem Werk mit der Unvorhersehbarkeit der Realität kontrastiert, wodurch eine Spannung entsteht, die den Betrachter sowohl herausfordert als auch fesselt.

Text: Quirin Brunnmeier

Fotos © gut.tut.gut.GmbH

„ntv inside art: Bernar Venet – Kunst, die in den Himmel wächst“ mit Wolfram Kons

Erstausstrahlung: 03. November 2023 um 19:30 Uhr bei ntv
Wiederholung: 05 November 2023 um 06:30 Uhr und 11:30 Uhr