Skip to main content

Erwin Wurm

Erwin Wurm nähert sich der Gegenwart aus der Perspektive der Bildhauerei. Seine Arbeiten wirken oft absurd und beziehen sich doch auf die existenziellen Fragen in unserer Interaktion mit der Welt. Sein Werk ist facettenreich, gleichzeitig radikal, satirisch, ironisch und surreal. Als Künstler untergräbt er unablässig bestehende Begrifflichkeiten und Konventionen.
Erwin Wurm wird 1954 in Bruck an der Mur in der österreichischen Steiermark geboren. Nach der Schulzeit studiert er in den 1970er-Jahren zunächst Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Graz, um dann an der Universität Mozarteum in Salzburg Kunst- und Werkerziehung zu verfolgen. Später besucht er die Hochschule für angewandte Kunst und die Akademie der bildenden Künste in Wien. Erste Ausstellungen hat er in den 1980er-Jahren. Auf seine frühen, bunt bemalten und futuristisch anmutenden abstrakten Skulpturen folgen die „Staubobjekte“, im Staub sichtbar werdende Umrisse verschwundener Dinge. Schon hier ist das Interesse an der Bedeutung von An- und Abwesenheit, Oberflächen und Spuren erkennbar.
Einer breiteren Öffentlichkeit wird er in den 1990er-Jahre durch seine One Minute Sculptures bekannt. Erwin Wurm lässt für diese performativen Arbeiten Personen mit Alltagsgegenständen posieren und kurzzeitig sonderbare, oft unnatürliche Körperpositionen einnehmen. Spezielle Handlungsanweisungen des Künstlers lassen Menschen zu flüchtigen „Skulpturen“ werden. Dabei dokumentiert er sie fotografisch oder in Videos. Obwohl kurzlebig, sind diese Arbeiten eine profunde Reflexion über die klassische Bildhauerei, deren grundlegenden Parameter Volumina, Form und Material sind. Die Welt der Pop-Kultur wird 2003 durch das Video der Gruppe Red Hot Chili Peppers zu ihrer Single Can’t Stop auf ihn aufmerksam, in dem sie Erwin Wurms One Minute Sculptures als Inspiration angeben.

© Nebojsa Babic

Erwin Wurm in seiner Ausstellung Avatare in Venedig © Association for Art in Public Dirk Geuer

Die außergewöhnlichen Werke von Erwin Wurm sind seit Langem Gegenstand von Einzelausstellungen in internationalen Museen und Galerien. Von 2002 bis 2010 ist er als Professor an der Universität für Angewandte Kunst in Wien tätig. Erwin Wurm gilt als der international erfolgreichste Vertreter der österreichischen Gegenwartskunst. Die renommiertesten Häuser weltweit besitzen und präsentieren seine Arbeiten, darunter die Galerie Belvedere in Wien, das Pariser Centre Pompidou, das Museum Ludwig in Köln, das Kunsthaus Zürich oder das Solomon R. Guggenheim Museum in New York. Auf der 54. Kunstbiennale in Venedig 2011 war Wurm mit dem Narrow House vertreten, einem Modell seines Elternhauses, auf ein Sechstel seiner Größe in der Längsachse reduziert.
Sein vielschichtiges, zugleich humorvolles als auch feinsinniges Oeuvre umfasst nahezu alle Gattungen, neben Skulptur auch Aktionskunst, Video, Fotografie und Zeichnung bis hin zum Künstlerbuch. Dennoch bleibt das Nachdenken über Bildhauerei im zentralen Fokus des Künstlers. Zweidimensionalität, Dreidimensionalität, Masse, Haut, Oberfläche, Material und Volumen sind die Grundbestandteile von skulpturalen Objekten, und Erwin Wurm hinterfragt und dekonstruiert diese Grundbedingungen kontinuierlich in seiner Arbeit. Er reduziert Körper, bläst sie auf oder quetscht sie zusammen. Dabei löst er Formen und schafft neue inhaltliche Bezüge. Manche Arbeiten wirken in ihrer Verzerrung zerbrechlich, in anderen Werken werden Alltagsgegenstände und Statussymbole zu paradoxen, massiven Ikonen. Erwin Wurm spielt mit der Veränderung von Volumen, Zuwachs und Wegnahme und setzt so Form und Inhalt in einen überraschenden Gegensatz.

Text: Quirin Brunnmeister

© Fotos Slider: Geuer & Geuer Art GmbH / gut tut gut GmbH

„Inside Art: Erwin Wurm – Ironie, Kunst und Gurke“
mit Wolfram Kons

Erstausstrahlung: 25. November 2022 um 19:25 Uhr auf ntv
weitere Sendetermine: 26. November 2022 um 12:30 Uhr
27. November 2022 um 11:30 Uhr